Interview: 100 Tage Landtag

Herr Prophet, wie hat sich Ihr Alltag seit Ihrem Einzug in den Thüringer Landtag verändert?

Nach der Wahl am 1. September gab es angesichts des Mandates natürlich beruflich und privat das Umfeld auf die neue Aufgabe einzustellen. Es ist eine komplett neue Berufung, mit neuer Organisation, einer Fraktion mit tollen Kollegen, mit einem Stamm von Referenten und einem Verantwortungsbereich, der jetzt den gesamten Freistaat Thüringen umfasst und natürlich mit sehr viel repräsentativen Verpflichtungen. Ich bin es ja hier im Landkreis gewohnt, mein Gesicht als AfD-Funktionär zu zeigen, im Freistaat tue ich das natürlich auch. Die Alternative kann man anfassen, weil sie aus der Mitte der Bürger kommt, und ich meinen Wählern verpflichtet bin. Deshalb ist und bleibt mein Fahrzeug weiterhin mit meinem Konterfeil beklebt – die Bürger sollen wissen, wo ich unterwegs bin.

 

Welche Themen haben Sie in den letzten 100 Tagen am intensivsten bearbeitet? 

Als wirtschaftspolitischer Sprecher und Sprecher für „Religion“ sowie „Aufarbeitung des DDR-Unrechts“ bin ich stark eingebunden, um an die Arbeit meiner Vorgänger anzuknüpfen. Dazu gehören das Studium von Dokumenten, Netzwerkarbeit, Abstimmungen mit Bundessprechern, 11.000 Anschreiben an Thüringer Unternehmen sowie Kontakte zu Verbänden. Auch erste Gespräche mit Vertretern der Kirchen gehören dazu. Besonders irritiert mich die Nähe der Kirchen zur RRG-Regierung.

In der Fraktion haben wir nach organisatorischen Maßnahmen mit strategischer Arbeit begonnen, insbesondere zur Umsetzung des Wahlprogramms. Wir haben aktuelle Stunden zu Thüringens Wirtschaftsproblemen und das Kliniksterben thematisiert, u. a. in Neuhaus. Ein von mir eingebrachter Antrag forderte die Aussetzung der CO2-Preiserhöhung ab 2025 sowie die Abschaffung der Steuer. Auch der Corona-Untersuchungsausschuss, die Verschiebung der neuen Grundsteuer und ein Untersuchungsausschuss zur Causa Kramer wurden initiiert. Diese Arbeit erfordert umfangreiche parlamentarische Vorbereitung und Bürokratie, zumal wir als AfD-Fraktion allein gegen alle anderen stehen.

 

Gab es eine Situation oder ein Ereignis im Landtag, das Sie besonders überrascht oder amüsiert hat?

Überrascht hat mich nicht die offene Ablehnung durch die anderen Fraktionen. Je politisch linker, desto offener und aggressiver. Irritiert bin ich auch immer noch, wenn niemand in den von mir benutzten Fahrstuhl zusteigt, oder die Kabine verlässt, wenn ich einsteige.

Überrascht hat mich das Selbstverständnis der bei der Wahl abgestraften Parteien, die daraus einen Führungsanspruch ableiten. Mit 32 Prozent sind wir die stärkste Fraktion und stellen im normalen Parlamentarismus sowohl den Ministerpräsidenten wie auch den Landtagspräsidenten.

Amüsiert oder erschrocken war ich, als sich die Herrn Ramelow und Voigt innig umarmten und ich mich kurz an den Bruderkuss zwischen Breschnew und Honecker erinnert fühlte. Aber es kam ja nicht so weit.

 

Was sind Ihre Hauptziele für die kommenden Monate im Landtag?

Meine Hauptziele für Anfang 2025 sind vielfältig. In den nächsten Tagen bzw. Wochen nimmt natürlich der Bundestagswahlkampf viel Raum ein. Als Landtagsabgeordneter unterstütze ich Christopher Drößler und unseren Nordhäuser Andreas Leupold bei ihrer Kandidatur und bin bei den meisten Veranstaltungen mit dabei.

Am 8. Januar 2025 gründen sich die Arbeitskreise in der Fraktion, danach werden sich die Ausschüsse im Landtag bilden und so kann nach weit über 100 Tagen die eigentliche Arbeit endlich beginnen.

Ob die Koalition der Ungewollten den Haushalt des Freistaates 2025 durchbekommt, wird eine spannende Antwort und hat existenzielle Auswirkungen auf den Haushalt des Landkreises und damit auch auf die Stadt Nordhausen.

In der Haushaltsdiskussion werde ich weiter den Bürokratieabbau durch Gesetzesprüfungen, die steuerliche Entlastung durch den Ausstieg aus der Klimahysterie priorisieren.

Dann geht es in meinem Fachgebiet intensiv weiter mit dem Thüringer Mittelstand aller Branchen. In meinem Arbeitskreis werden wir aber auch die Themen der Landwirtschaft – Stichwort Mercosur – thematisieren und Themen wie die Entwicklung von Sülzhayn angehen.

 

Welche Veränderungen möchten Sie langfristig in Thüringen sehen?

Ich möchte ein Thüringen sehen, in der die Wirtschaft blüht, durch eine ausgewogene Mischung aus traditionellem Gewerbe und innovativen Start-ups. Bildung sollte ein zentrales Thema bleiben, mit dem Ziel, dass jedes Kind in Thüringen die gleichen Startchancen hat, unabhängig davon, wo es aufwächst. Die Infrastruktur muss verbessert werden, insbesondere in ländlichen Gebieten, um Chancenungleichheiten zu verringern. Ich wünsche mir auch, dass wir unsere kulturelle Identität bewahren und fördern, Thüringer Traditionen und Sprache zu schätzen wissen. Sicherheit muss weiterhin ein hohes Gut sein, mit einer gut ausgerüsteten und geschätzten Polizei. Schließlich möchte ich, dass Thüringen ein Platz wird, wo die Menschen stolz auf ihre Heimat sind, wo sie gut leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen können, ohne dass sie sich existentielle Sorgen um ihre Zukunft machen müssen.

Und immer wieder Entlastung der Bürger und Unternehmen, preiswerte und sichere Energie und, und, und. Thüringen hat jetzt schon wieder über 100 Tage Stillstand hinter sich. Dies ist nicht zu akzeptieren. Es ging bis heute bei den anderen Parteien wie immer nur um Posten, Macht und Einfluss. Von den Sorgen und Nöten der Bürger war bis dato nur in den Sonntagsreden zu hören, nicht im Parlament!

 

Wie reagieren Sie auf den Vorwurf, die AfD würde rechtsextreme Positionen vertreten?

Heimat, Tradition, Identifikation, Kultur, jüdisch-christlichen Abendland, Werte wie Familie aus Vater, Mutter und Kind – das alles ist heute im linken Meinungsbild „rechts“. Ich stehe aber dazu. Und „extrem“ würde ich gern durch „konsequent“ ersetzen.

„Rechts“ steht für Freiheit, Souveränität und persönliche Entfaltung und das Recht auf Privateigentum. Die Säulen des Sozialismus basieren dagegen gestern wie heute auf Neid, Missgunst, Hass und Gewalt. Da bin ich eindeutig „rechtskonsequent“ und stehe zu meinen libertären Grundsätzen. Man ist von Seiten des politischen Wettbewerbes nicht in der Lage, uns substanziell zu widerlegen, weder in der Steuer-, Wirtschaft-, Sozialpolitik oder sonstigen Politikfeldern. Da bleibt den linken Aktivisten nur tumbe Narrative.

Die Kritik, dass die AfD rechtsextreme Positionen vertrete, ist damit ein pauschales und politisch motiviertes Urteil, das nicht der Vielfalt innerhalb unserer Partei gerecht wird. In jeder Partei gibt es unterschiedlicher Meinungen und Stimmungen. Meine politische Arbeit ist darauf ausgerichtet, die Interessen der deutschen Bürger, insbesondere in Thüringen, zu vertreten. Es ist problematisch, wenn man eine ganze Partei für die Aussagen oder Handlungen weniger verantwortlich macht.

 

Gibt es Themen, bei denen Sie sich von der AfD-Parteilinie abheben?

Selbstverständlich gibt es Themen, bei denen ich mich von der Parteilinie abheben kann, da jeder Politiker auch seine eigenen Schwerpunkte und Perspektiven hat. Man darf dabei aber nicht als Quertreiber oder egozentrisch agieren. Meine Schwerpunkte sind dabei die Betonung der Schöpfung und unserer christlich-jüdischen Kulturbasis, ich bin Verfechter der sogenannten Ökonomie der Österreichische Schule von Hayek, von Miese bis zu Rothbard. Ich stehe zum Kapitalismus, der dato acht Milliarden Menschen ernährt bei der historisch kleinsten Armutsgrenze. Ich stehe für ein Europa souveräner Staaten mir eigenen Sicherheitskonzepten und eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft ohne übergreifenden Unionsansatz. Aber das ist alles eigentlich unsere gängige Programmatik.

 

Wie hat sich Ihr Engagement in Nordhausen durch Ihre Rolle im Landtag verändert? Schließlich gaben Sie Ihr Mandat im Nordhäuser Stadtrat ab…

Mein Engagement in Nordhausen hat sich seit meinem Eintritt in den Landtag intensiviert. Zuvor war ich zwar schon politisch aktiv, aber durch meine neue Rolle im Parlament habe ich noch mehr Möglichkeiten, direkten Einfluss zu nehmen. Ich bin jetzt noch stärker im direkten Kontakt mit den Bürgern, organisiere regelmäßige Bürgerstunden und bin häufiger auf lokalen Veranstaltungen präsent. Das bedeutet nicht nur, dass ich mehr Zeit im „politischen Nordhausen“ verbringe, sondern auch, dass ich die Anliegen und Probleme der Menschen hier noch gezielter in den Landtag tragen kann. Ich arbeite eng mit unseren Kommunalpolitikern zusammen, um Projekte zu unterstützen oder um von Erfurt aus Ressourcen zu mobilisieren. Meine Präsenz in Nordhausen ist jetzt nicht nur symbolisch, sondern hat auch handfeste Auswirkungen auf die Umsetzung von Projekten und auf die politische Landschaft der Stadt. Ich habe das Gefühl, dass mein Engagement wahrgenommen und geschätzt wird, was mich noch mehr motiviert, weiterzumachen.

Leider sehe ich auch, wie unsere lokalen Politikgrößen sich davor scheuen, die Belange der Bürger in der Stadt und im Landkreis anzusprechen. Bei dem Landrat liegt es nach meiner Meinung am Parteibuch, bei dem Oberbürgermeister liegt es am fehlenden Plan und der fehlenden Courage.

 

Was tun Sie, um die Interessen Ihrer Wähler im Wahlkreis Nordhausen I, also im Landkreis, zu vertreten?

Um die Interessen der Bürger zu vertreten, setze ich mich auf mehreren Ebenen ein. Zunächst stelle ich Anträge im Landtag, die spezifische Probleme meines Wahlkreises ansprechen, sei es im Bereich Infrastruktur, Bildung oder Wirtschaftsförderung. Ich arbeite daran, dass Nordhausen in den staatlichen Förderprogrammen nicht zu kurz kommt und dass lokale Projekte, wie zum Beispiel der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur oder die Modernisierung von Schulen, im Haushalt berücksichtigt werden. Zudem halte ich regelmäßig Kontaktstunden ab, wo ich persönlich mit den Bürgern ins Gespräch komme, um ihre Anliegen zu hören und direkt aufzugreifen. Ich trete wie schon gesagt auch auf lokalen Veranstaltungen auf, um über aktuelle politische Entwicklungen zu informieren und Feedback zu bekommen. Ich bin Mitglied in mehreren lokalen Gremien und Vereinen, wo ich für die Interessen meiner Wähler eintrete. Durch mein Netzwerk in der Region kann ich auch als Vermittler zwischen den Bürgern und der Landespolitik agieren, um sicherzustellen, dass die Stimmen aus Nordhausen in Erfurt Gehör finden. Es ist mir wichtig, dass meine Wähler wissen, dass sie eine Stimme im Landtag haben, die sich wirklich für sie einsetzt.

 

Wie haben Sie die politische Landschaft in Thüringen vor und nach Ihrer Wahl wahrgenommen?

Es hat sich nichts, leider gar nichts verändert. Der Hauptinhalt der politischen Arbeit der etablierten Parteien und der Personenpartei Sarah Wagenknecht ist die Abgrenzung zur Alternativen für Deutschland. Die letzten zehn Jahre hat Rot-Rot-Grün nicht für den Bürger und die Unternehmen gearbeitet, sondern gegen die AfD.

Vor der Wahl wurden die Linken von der CDU unterstützt und an der Regierung gehalten, und heute wird die CDU von den Linken unterstützt und an der Regierung gehalten.

Vor der Wahl hat Herr Ramelow regiert und jetzt nach der Wahl regiert Herr Ramelow immer noch, denn ohne seine eine Stimme geht nichts in der Koalition der Unfreiwilligen.

Der Bürger, die Unternehmen, die Infrastruktur und die Zukunft des Freistaates haben dabei das Nachsehen.

 

Welche Lektionen haben Sie aus Ihrem bisherigen Weg in der Politik gelernt?

Die wichtigste ist vielleicht, dass Ehrlichkeit und Direktheit oft mehr wert sind als diplomatische Floskeln. Die Menschen schätzen es, wenn man ihnen geradeheraus sagt, was man denkt und plant. Ich habe gelernt, dass man immer den Kontakt zu den Wählern halten muss, weil sie das Fundament unserer Arbeit sind. Es ist auch eine Lektion in Geduld und Ausdauer, da politische Prozesse oft langsam und kompliziert sind. Man muss lernen, Kompromisse zu schließen, ohne die eigenen Überzeugungen zu verraten, und dabei stets das Gemeinwohl im Auge behalten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bedeutung von Netzwerken und Kooperationen; ohne diese kann man wenig erreichen. Ich habe auch gelernt, dass man sich mit Kritik auseinandersetzen muss, denn sie kann zu Verbesserungen führen, wenn man sie konstruktiv annimmt. Schließlich hat mir die Politik gezeigt, dass man nie aufhört zu lernen; die Dynamik und die Herausforderungen sind so vielfältig, dass man ständig neue Wege finden muss, um die Ziele zu erreichen.

 

Gibt es etwas, das Sie Ihren Wählern sagen möchten, dass sie noch nicht wissen?

Der Bürger ist souverän und ich habe niemanden etwas vorzuschreiben. Autokratie und Gängelung widerstreben meinem Freiheitsgedanken, aber ich möchte drei Hinweise zur Meinungsbildung geben:

  1. Die Europäische Union hat auf die Gesetzgebung unserer Freistaates einen Einfluss von 80 Prozent. Die EU wird von den Christdemokraten regiert. Es ist dieselbe CDU, die in der EU das Verbrenner-Aus, den Green-Deal, das Gendern und die Eskalation des Krieges in der Ukraine fordert. Da kann man in Thüringen nichts anderes erwarten.
  2. Wir leben in Deutschland mittlerweile in einem Zweiparteiensystem: Es gibt die Alternative für Deutschland und die Kartellparteien. Sie regieren heute gemeinsam und werden es wohl auch nach dem 23. Februar tun, wenn der Bürger nicht das Kreuz bei der AfD macht. Ramelow-Voigt ist das beste Beispiel für die undemokratische Einheitsfront.
  3. Mischen Sie sich in die Politik ein! Von der Gemeinde über den Stadtrat bis in den Landkreis. Politik ist und muss Dienstleister für IHRE Interessen sein, als Bürger bezahlen sie viel zu viel für die schlechte Politik.
  4. Ich möchte meinen Wählern ausdrücklich danken, dass sie mir ihr Vertrauen geschenkt haben. Ich bin mir der Verantwortung, die damit verbunden ist, sehr bewusst.

 

Herr Prophet, Danke für das Gespräch.

 

Foto: Steffen Prößdorf, 2024-11-13 Politik, Thüringer Landtag, 2. Plenarsitzung STP 0421, CC BY-SA 4.0; Das Interview führte der Kreisverband Nordhausen.